15 Jahre Musiktheater im INTERNATIONAL MUNICH ARTLAB
oder
vom HipHop-Intendanten zu Vittipapa
oder
persönlicher Aufruf zur Gründung des Vereins:
„Freunde von INTERNATIONAL MUNICH ARTLAB Musiktheater“
Januar 1998:
Im Keller des „Soundcafe“ drücke ich den Startknopf. Der Knopf ist der Schalter für die Stromversorgung unseres ersten Studios. Im Beisein von hochrangigen Mitarbeitern des Kulturreferats der Landeshauptstadt München begeben sich die ersten 50 Teilnehmer an den Start. Ziel ist die Erstellung der ersten HipHopera der Welt mit dem Titel „WestEndOpera“.
Vorausgegangen sind wochenlange Auditions. Hunderte von begabten Jugendlichen aus allen Stadtteilen Münchens nehmen daran Teil. Ihre Auswahl erfolgt durch eine Jury aus Künstlern und Pädagogen.
Das Prinzip:
Entscheidend für die Teilnahme ist einzig und allein die Begabung für Musiktheater im weitesten Sinne. Andere Kriterien wie Rasse, Geschlecht, nationale und soziale Herkunft, Schulabschlüsse, körperliche und psychische Handicaps spielen keine Rolle.
Gesucht werden Darsteller für die Bühne (Sänger, Rapper, Tänzer, Schauspieler, Clowns etc.) wie auch Komponisten („Beatmacher“) und Texter, Bühnen- und Kostümbildner, Requisiteure, Kameraleute, Organisationstalente und andere, die sich einem Ziel verschreiben. Und dieses Ziel lautet:
Wir machen unser „Ding“.
Und zwar selber. Wir bestimmen die künstlerischen Inhalte. Wir entscheiden alle künstlerischen und ästhetischen Fragen. Wir raufen uns zusammen und siegen oder wir gehen unter.
Und wir vertrauen unseren professionellen Coaches. Wir lernen von ihnen. Wir vertrauen ihrer Kompetenz.
Und jetzt saßen sie alle im Boot, die Teilnehmer wie die Coaches der ersten Stunde und begannen loszurudern. Manchmal wusste keiner, wer da grad steuert, manchmal war die Sicht schlecht, oft auch das Wetter, die Versorgungslage war meist ziemlich übel, oft war der Ton ruppig und rau, oft wollte mal jemand über Bord springen. Nach 4 Monaten war das Geld „alle“.
Aufgeben ging nicht. War schon zu viel erreicht. Neue Helfer erstehen: Eine Mutter kocht täglich für alle, die Berufsberatung des Arbeitsamtes findet Fördermöglichkeiten, das Jugendamt sponsert Räume, das Referat für Wirtschaft steigt ins Boot, viele ungenannte Helfer und Förderer aus allen Teilen der Gesellschaft, der Medien und „Vervielfältiger“ kommen hinzu, und wir haben wieder Rückenwind. Die Methode funktioniert!
Tollwood 1999:
Es ist soweit. Die Premiere der WESTENDOPERA geht auf die Bühne. Unglaublicher Erfolg bei Publikum und Presse. Innerhalb einer Woche spielen wir das Theaterzelt so voll, dass am Ende viele draußen bleiben müssen. Der Oberbürgermeister steht bei der letzten Vorstellung auf der Bühne und übernimmt die Schirmherrschaft für das Projekt. Regionale und nationale Medien berichten, von der „SZ“ bis zum „Spiegel“ sind alle erstaunt und begeistert vom Gelingen dieses „verrückten“ Projektes, schreiben von „Straßenköter im HipHop-Fieber“; die Betroffenen empfanden dies durchaus als Beleidigung.
Ein Projekt, das sich auf das Vertrauen, die Begabung, die Energie, die Durchhaltekraft dieses „Haufens zusammengelaufener junger Leute“ und einiger „Künstler-Traumtänzer“ begründet.
Es folgt sogleich eine Tournee durch Süditalien, im selben Jahr noch eine dreiwöchiges Gastspiel in Hamburg, dann ein sechswöchiges Gastspiel auf dem zentralen Schlossplatz in Berlin. Alles mit dem gleichen Erfolg, der gleichen Begeisterung und dem gleichen Erstaunen des Publikums und der Medien. Irgendwie kommt die WestEndOpera auch nach NewYork und nach 2 Jahren und 250 Shows wird mit einer dreitägigen Derniere in der Reithalle München ein anständiger Abschied genommen. Abschied der WestEndOpera, aber nicht Abschied von „der Idee“.
Die Idee wird weitergesponnen:
Sollte es möglich sein, mit den Prinzipien und Vorgehensweisen der WestEndOpera eine nachhaltige Methode zu entwickeln? Also kreative Ressourcen im städtischen Raum zu heben auf dem weiten Feld begabter Jugendlicher von „Straße“ bis „Wohnzimmer“, sie zu einer Kreativgemeinschaft zusammen zu spinnen? Gleichzeitig das regelmäßige Entstehen innovativer Produktionen zu ermöglichen? Und das in einer einzigartigen Teilnehmer-Mischung?
Wenn nur die Begabung zählt, hat jeder eine Chance, Ausbildungslose aus Einwanderung, Asyl (ja! Asyl), um Integration bemühte Zugezogene aus allen Generationen der Migration, Einkommensschwache und Armutsbedrohte aus den Vorstädten ebenso wie unabhängige Geister aus der bürgerlichen Zivilgesellschaft.
2001
Aus dem Kulturreferat ergeht der Auftrag an mich, dazu eine Idee zu entwerfen. War ja gar nicht so schwer nach den Erfahrungen mit der WestEndOpera. Und das war das Ergebnis:
INTERNATIONAL MUNICH ARTLAB – Projekt zur ästhetischen Jugendarbeit,
von den Eingeweihten inzwischen nur „Imal“ genannt.
(Ein Arbeitstitel hält sich oft länger als alles, das besser klingen könnte, was aber keinem einfällt).
Die Finanzierung stand auf wackligen Füßen, aber nicht mehr so wackelig wie bei der WestEndOpera. Alle Beteiligten gaben sich größte Mühe: 3 Referate der Landeshauptstadt München, das Arbeitsamt: schließlich gelang es uns als einer der ersten in der Stadt, auch EU-Mittel zu ergattern. Das war viel Arbeit für alle, die uns fördern wollten; und man kann im Nachhinein nur dankbar sein, denn es waren viele Personen in politischen Ämtern, Parteien und Verwaltung, die sich für dieses Projekt einsetzten. Ohne diese Hilfe wäre es nicht gegangen.
Und wir legten wieder los.
Neue Begabte machten sich auf den Weg zu „STATT DER ANGST“(2003), in „EXTAZE“(2005), in den „SYSTEM-ERROR“(2007), wurden zu „FEIGE HELDEN“(2009), performten „ESC@PE“(2011); und die nächsten sind schon auf der Zielgeraden: „WIR“ heißt die neueste Produktion und wird im Juli 2013 Premiere haben.
Eine Menge „Kinder“ finden sich da in meinem Adressbuch, ca. 300 inzwischen. Irgendwann machte die Bezeichnung vom „Vittipapa“ die Runde, ein echter Ehrentitel für mich, den ich höher schätze als vieles andere.
2013
Und jetzt? Wo stehen wir?
Nun, um es kurz zu sagen: Wir brauchen mal wieder Geld.
„Wie“, werde ich gefragt, „ihr bekommt doch euer Geld von der Stadt und der EU. Kriegt ihr den Hals nicht voll?“
Ja, es gab immer wieder Phasen, in denen unser Projekt als ziemlich gesichert galt. Trotz der immer wieder auftretenden Schwierigkeiten haben wir durchgehalten auch dank der Hilfe vieler Freunde aus dem Kreise der Förderer.
Nun: wir haben das Konzept, bedingt durch veränderte Förderstrukturen und gleichzeitig erhöhtem Bedarf an Teilnehmern, verändert. Es wird nun jährlich eine neue Gruppe von Teilnehmern aufgenommen, während ein Teil der Gruppe des Vorjahres – offen durchaus für fortgeschrittene neue Interessenten - ihre Produktion fertig stellt und zur Aufführung bringt. Während die Arbeit des ersten Jahres durch die öffentliche Förderung finanziell abgesichert und vom Verein „Kontrapunkt e.V.“ durchgeführt wird, ist die Produktion dieser Truppe – dem Ensemble - weitestgehend auf ehrenamtliche Tätigkeit und private Spenden angewiesen und wird von der „Artworks GmbH“ verantwortet. Ohne dieses Engagement kann das Stück nicht produziert werden. Zu leisten sind die Fertigstellung des Textes, die Komposition der Musik und die Inszenierung mit allen dafür anfallenden Kosten für Technik, Bühnenbild, Kostüm, Werbung, Sach- und Raumkosten.
Also..........:
1. Alle wichtigen Grundlagen können im ersten, öffentlich finanzierten Jahr geleistet werden.
2. Für die Produktion des Stückes mit dem Ensemble sind wir auf vielfältige Unterstützung angewiesen.
In einem Jahr ist beides nicht durchzuführen, das wissen alle, die dabei waren und sind. Immerhin muss eine Bühnentruppe so fit gemacht werden für Gesang, Tanz und Schauspiel und alles andere, dass sie unter professionellen Bedingungen auf Tournee gehen kann. Dann muss da ein Stück geschrieben werden, dann muss es vertont werden, dann Kostüme, Bühnenbild, Inszenierung, ach ja.... ist doch irgendwie klar, oder? Geht alles nicht so schnell, zumindest nicht, wenn die Qualität den professionellen Ansprüchen eines zahlenden Publikums entsprechen soll.
Die Erfahrung zeigt:
Nach einem Jahr ist die Truppe ausgebildet und fit, hat ein Stück entworfen, Dialoge, Szenen und Songs geschrieben. Und das ist eine Menge Arbeit. Sie präsentiert die Ergebnisse aus Unterricht und Arbeit am Stück in einer bunten Revue, der „Werkschau“. Für viele ist damit das Ziel ihrer Zeit bei IMAL erreicht, sie beginnen eine Ausbildung, finden Arbeit, gehen auf Schauspielschulen etc. Vielleicht am wichtigsten dabei ist für alle Teilnehmer, sich für diesen Beruf ausprobiert zu haben und am eigenen Leib realistisch zu erfahren, ob ihre „Träume Schäume“ waren oder eine Basis für einen künstlerischen beruflichen Lebensweg erkennbar wurde. So war es schon immer.
Diejenigen, die die Produktion des Stückes betreiben wollen, das Libretto fertig schreiben, Songs, Raps, Choreographien und Bühnenmusiken komponieren und produzieren, Kostüme und Bühnenbild, Maske fertigen, bereiten sich auf die Inszenierung vor. Und wenn alles gut geht – und bisher ging´s immer gut – finden die Premiere und die anschließenden Auftrittsserien statt. Hiermit sind diese Teilnehmer ihrem Ziel des Quereinstieges in künstlerische Berufe ein entscheidendes Stück näher gekommen. Das Projekt wird so auch zu einer Referenz ihres beruflichen Schaffens.
Wenn diese Produktion aus Mangel an Geldmitteln nicht mehr stattfinden könnte, hieße das:
Ein halbfertiges Stück in die Tonne treten, frustriert und desillusioniert ratlos nach Hause gehen.....
Wenn diese Produktion aus Mangel an Geldmitteln nicht mehr stattfinden könnte, hieße das:
Den Berg halb besteigen, wegen schlechten Wetters aufgeben und ohne den Lohn der Gipfelbesteigung einfach nur müde und kaputt abziehen.
Das will niemand! Also:
Der Plan:
Alle ehemaligen Teilnehmer, ihre Eltern und Freunde, dazu eine Menge Leute, die uns unterstützen wollen, an diesem großartigen Projekt weiterzuarbeiten, bilden einen Verein – einen Verein, der sich das Ziel setzt, die Produktionen der zukünftigen Teilnehmer finanziell zu fördern. Damit jedes Jahr wieder die Chance besteht für künstlerische Begabung, Kreativität und innovative Bühnenproduktionen von - ich zitiere: „ Ausbildungslosen aus Einwanderung, Asyl, um Integration bemühten Zugezogenen aus allen Generationen der Migration, Einkommensschwachen und Armutsbedrohten aus den Vorstädten ebenso wie unabhängigen Geistern aus der bürgerlichen Zivilgesellschaft“.
Das Ziel:
Mindestens 1000 Mitglieder – ein Jahresbeitrag von 50€ pro Mitglied.
Die daraus resultierende Summe ist ein Sockelbetrag, der - durch Spenden ergänzt - die Fortführung jeder Produktion bis zur Fertigstellung und Aufführung möglich macht.
1000 Mitglieder klingt nach viel, jedoch:
allein 300 „Ehemalige“ sind in Vittipapas Adressbuch, davon bringt jeder noch Eltern oder Freunde oder Lebensgefährten mit: Das müsste doch zu schaffen sein.
Vermutlich hat jeder während der gemeinsamen Produktion über sich, die eigenen Grenzen und Möglichkeiten Neues erlebt und gelernt. Der ein oder andere hat bestimmt im Nachhinein daran gedacht, welche Fertigkeiten, Erlebnisse und Vorteile ihn aus dieser Zeit begleiten. Wo auch immer es die Ehemaligen hin verschlagen hat – der Verein bietet jetzt die Gelegenheit, sich dafür zu revanchieren, indem man diese Erfahrungen auch für die die nächsten Teilnehmer möglich macht.
Das schaffen wir, wenn 1000 Leute, einmal im Jahr 50€ für die „ehemalige Schule, Oper, Produktion“ geben.
„Wenn Viele wenig geben, können die Wenigen weitermachen und gehören dann bald auch zu den Vielen, die den Wenigen viel geben.“ (Vittipapa)
Der Verein schafft endlich auch die Möglichkeit, den Kontakt zu „Ehemaligen“ und Freunden des Projekts wieder aufzunehmen und zu verstärken. Regelmäßige Informationen vom Fortgang, interessante Arbeitsbeispiele und rechtzeitige Bekanntgabe aller Events sind so möglich. Wenn ich bedenke, dass die nächsten „neuen“ Teilnehmer noch nicht geboren waren, als die ersten begannen, wird es Zeit, dies zu tun.
Mithilfe einer Website, Foren auf Facebook u.ä. sind die Möglichkeiten heute besser denn je. 1998 waren diese Kommunikationsformen erst in den Kinderschuhen.
„Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“ (Oscar Wilde).
Ich bitte alle Empfänger dieses Aufrufes um Antwort, auch und gerade, wenn jemand Gründe sieht, diesen Schritt nicht mit zu gehen.
Mit anderen Worten: Vittipapa braucht euch!
im Februar 2013
Mit herzlichen Grüßen
Vridolin Enxing
Mitbegründer und künstlerischer Leiter von INTERNATIONAL MUNICH ARTLAB – Musiktheater.